Entdecke die Kunst des Sehens
Die Annäherung an die Fotokomposition ist ein Prozess, der oft mehr mit dem Loslassen als mit dem Erlernen beginnt. Viele Teilnehmer kommen mit der Vorstellung, dass es feste Regeln
gibt—die Drittelregel hier, die Symmetrie dort—und dass die Beherrschung dieser Techniken automatisch zu besseren Bildern führt. Und ja, diese Regeln haben ihren Platz, aber was
Bianca Montesanta immer wieder betont, ist, dass wahre Komposition von einer tieferen, fast intuitiven Sensibilität für das Motiv und seine Umgebung lebt. Einmal war da ein
Teilnehmer, der sich stundenlang mit der perfekten Platzierung eines Baumes in seinem Bild beschäftigte, nur um am Ende zu erkennen, dass der Baum gar nicht das zentrale Element
war. Solche Momente—oft frustrierend, ja—sind auch unglaublich befreiend. Sie machen deutlich, dass es nicht um die perfekte Technik geht, sondern darum, zu sehen, was wirklich da
ist, und das Bild bewusst zu gestalten. Und doch ist diese Transformation nicht linear. Viele kämpfen anfangs mit der Angst, „falsch“ zu sehen, oder damit, dass ihre Bilder nicht
den ästhetischen Konventionen entsprechen. Aber vielleicht am wichtigsten: Sie beginnen, ihre eigene Art des Sehens zu entdecken—eine, die von Neugier und Offenheit geprägt ist. Das
ist keine kleine Sache. Bianca spricht oft davon, wie sich der Umgang mit der Kamera verändert: Sie wird weniger Werkzeug und mehr Partner. Menschen, die sich anfangs auf technische
Perfektion konzentriert haben, beginnen, sich mit Dingen wie Licht und Schatten zu beschäftigen, mit der Beziehung zwischen Vorder- und Hintergrund oder der stillen Spannung in
einer scheinbar leeren Szene. Es ist, als würde man eine neue Sprache lernen—nicht nur für Bilder, sondern auch für das Leben selbst. Ein Missverständnis, das wir fast immer klären
müssen, betrifft das vermeintlich „richtige“ Bild. Viele glauben, dass es eine universelle Formel für Schönheit gibt, aber in Wahrheit ist Fotografie genauso subjektiv wie jede
andere Kunstform. Was wir vermitteln wollen, ist Mut—Mut, ein Bild zu machen, das man selbst liebt, auch wenn es nicht jedem gefällt. Einmal sagte jemand in einem Kurs: „Das sieht
doch aus wie ein Schnappschuss!“ Bianca antwortete ganz ruhig: „Vielleicht ist es das. Aber wer sagt, dass Schnappschüsse weniger wert sind?“ Diese kleine Bemerkung hat etwas
ausgelöst. Plötzlich wurde die Kamera weniger zu einem Werkzeug der Kontrolle und mehr zu einem Experimentierfeld, einem Ort, um sich auszuprobieren, zu spielen, ja, auch Fehler zu
machen. Am Ende geht es darum, anders zu sehen. Nicht nur technisch, sondern emotional. Ein Teilnehmer hat es einmal so formuliert: „Ich fange an, Dinge zu bemerken, die ich vorher
übersehen habe—wie das Licht auf einer alten Mauer oder die Art, wie jemand einen Moment innehält.“ Und das ist es, worum es eigentlich geht: nicht perfekte Bilder zu machen,
sondern die Welt bewusster wahrzunehmen. Vielleicht ist das der größte Lohn, den die Auseinandersetzung mit Fotokomposition zu bieten hat—eine neue Art, zu sehen, zu denken und zu
fühlen.
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